* 7. September 1936
von Lutz Lesle
Essay
Liederwelten mit doppeltem BodenZwei Schaffensrichtungen machte der lettische Musikwissenschaftler Jānis Torgāns 1981 angesichts einer nahezu 25jährigen Produktionsspanne im Werk Romualds Kalsonsʼ aus: »einerseits sinfonische Arbeiten«, »andererseits den Bereich der vokalen Lyrik, der vom Autor mit solcher Konsequenz entwickelt wurde, daß sich schließlich eine gewisse ‘Hybride’ beider Richtungen in vokalsinfonischen Kompositionen ergab« (zit. nach Gerlach 1984, 227f.). Zu den Merkmalen, die den eigenen Ton von Kalsonsʼ Musik werkübergreifend bestimmen, zählt Torgāns eine »treffende Charakterisierungskunst« sowie »die Neigung zu klangfarblichem Reichtum« (228).
Die ursprüngliche und dauerhafte Hinwendung des Komponisten zur Poesie (er schrieb mehr als 30 vokale Zyklen) brachte es mit sich, dass er von vornherein bemüht war, sprechende Formulierungen, Gesten, Klangchiffren oder -symbole auszuprägen, die ein lyrisches Bild, eine Metapher, Zustände und Befindlichkeiten, aber auch Ideen oder gedankliche Vorstellungen eines Textes möglichst sinnfällig zum Ausdruck und zur Anschauung bringen. Nach den Prinzipien seiner Textvertonung befragt, verweist Kalsons darauf, dass es ihm sowohl darauf ankomme, die »Idee des Ganzen« in einem musikalischen »Erfindungskern« zusammenzufassen als auch einzelne poetische Metaphern in Tönen abzubilden. Kalsons spielt aber auch mit der Möglichkeit, sich »distanziert« zum Text zu verhalten, ihn also musikalisch zu konterkarieren, ihm einen »doppelten Bo...